Vor einigen Jahren hatte ich folgende Geschichte erlebt:
„Ich war in einem Projekt tätig, wo in unserem Bereich verschiedene Teilprojekte umgesetzt und abgeschlossen waren. Unsere Aufgabe war es noch, bestimmte Prozesse zu optimieren und hochkommende Fehler zu korrigieren. In dieser Zeit bekam ich eine Mail von einem jungen Mitarbeiter, den ich nicht kannte. Er stellte sich kurz vor und führte eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen in den Freigabeprozessen des operativen Einkaufs auf, die man noch optimieren könnte. Als ich die Liste durchging erkannte ich, dass das alles sinnvolle Punkte waren. Zusätzlich kam noch hinzu, dass man sie mit einem überschaubaren Aufwand umsetzen konnte. Also setzten wir uns zusammen, gingen die Punkte im Detail durch und anschließend stellte ich ein grobes Konzept der Projektleitung vor. Auch die Projektleitung erkannte, dass die Punkte „gut“ waren, und ich verfasste einen Projektantrag, der auch direkt durchgewinkt wurde. Die nächsten Tage hatten wir schon die Ärmel hochgekrempelt, die ersten Lösungsansätze erarbeitet und wollten schon die Arbeitspakete schnüren. Doch urplötzlich bekam ich von einem Herrn einen „ungewöhnlichen“ Anruf. Es stellt sich heraus, dass dieser Kollege der Leiter einer Querschnittsabteilung war, der genau diese Freigabeverfahren steuerte. Er stellte mir auf eine ruhige doch unmissverständliche Art klar, dass das Projekt in dieser Form nicht weitergeführt werden kann – das Projekt war tot!“
Was war geschehen?
Es liegt ja auf der Hand: Wir hatten im Eifer der Begeisterung diesen Kollegen nicht kontaktiert bzw. wir wussten gar nicht, dass es so eine Position gab. Wir hatten ein Projekt begonnen ohne die zentralen Personen des Projektes zu kennen. Der Kollege fühlte sich – zu Recht – übergangen!
Diese Erfahrung hat mich gelehrt, dass man in SAP-Projekten niemals das Stakeholdermanagement vernachlässigen darf!
Stakeholder sind zu Deutsch: Interessengruppen. Und gerade in SAP-Projekten, wo vielfach in die Prozesse des Unternehmens und damit in die Arbeitsweise von Menschen eingegriffen wird, sind sehr viele Interessengruppen vertreten. Die Aufgaben des Stakeholder-Managements in SAP-Projekten kann man anhand des IIAA-Konzepts auflisten:
I – Identifizieren – Wer sind die Stakeholder?
I – Informieren – Informiere alle Stakeholder über das Projekt (vor dem Kick-Off)
A – Analysieren – Wie sind ihre Einstellungen zum Projekt und welchen Einfluss haben sie?
A – Aktivieren – Mach Dir klar, wie Du mit den Stakeholdern zusammen arbeiten willst.
I – Identifizieren – Wer sind die Stakeholder?
Mach an dieser Stelle nicht den Fehler, den ich oben beschrieben habe. Erstelle eine möglichst komplette Liste aller Stakeholder und informiere sie. Hierbei wir Dich folgendes Vorgehen unterstützen:
# Frag‘ deine direkten Kollegen, den Projektleiter oder Kollegen aus den Fachbereichen, wen das Projekt interessieren könnte bzw. wen wir informieren sollten – erstell eine Liste.
# Ruf diese Kollegen an, informiere Sie kurz über das Projekt und frag nach, wen das Projekt noch interessieren könnte – vervollständige Deine Liste.
# Maile den neuaufgenommenen Kollegen. Beschreibe ihnen das Projekt in Stichpunkten und frag nach, wer noch zu informieren ist.
# Wenn noch weitere Personen genannt werden sollten, dann schreibe auch sie an.
Jetzt müsstest Du eine komplette Liste der Stakeholder haben, mit der Du weiterarbeiten kannst.
I – Informieren – Informiere alle Stakeholder über das Projekt
Im nächsten Schritt solltest Du alle Stakeholder zu einem Meeting einladen. In diesem Meeting solltest Du:
# das Projekt vorstellen (bitte PowerPoint!),
# den Nutzen und die Kosten/Aufwände darlegen,
# um Feedback/Anregungen/Kommentare bitten.
Aus der Brille des Stakeholder-Managements solltest Du das Meeting aber unbedingt dafür nutzen, um folgende Frage zu beantworten:
# Wer lässt sich vom Projektziel begeistern?
# Wer ist dem Projekt gegenüber skeptisch eingestellt?
# Welchen Einfluss/Macht/Position hat er?
A – Analysieren – Wie sind ihre Einstellungen zum Projekt und welchen Einfluss haben sie?
In diesem Schritt solltest Du die Stakeholder genau analysieren und klassifizieren. Basierend auf den Erkenntnissen aus dem Meeting solltest Du eine kleine Excel-Tabelle erstellen mit folgenden Spalten:
# Name des Stakeholders (z.B. Ralf Esslinghausen)
# Position im Unternehmen (z.B. Leiter Einkauf)
# Einstellungen zum Projekt (Pro oder Contra)
# Einfluss auf das Projekt (Hoch oder Niedrig)
Nachdem Du alle Stakeholder nach diesem Prinzip bewertet hast, solltest Du die Bewertung in Stakeholder-Matrix einordnen:
Die Stakeholder-Matrix gruppiert Deine Stakeholder abhängig vom Einfluss, den sie auf das Projekt haben, und den ihrer Einstellung zum Projekt in folgende 4-Cluster:
# Gold-Stakeholder: Gold Stakeholder haben einen hohen Einfluss auf das Projekt und sind dem Projekt gegenüber positiv eingestellt, d.h. sie wollen, dass das Projekt durchgeführt wird. Gold-Stakeholder können bspw. Mitglieder des Vorstands, die Geschäftsführung oder Hauptabteilungsleiter sein.
# Palladium-Stakeholder: Der Einfluss von Palladium-Stakeholdern ist nicht hoch, d.h. sie haben innerhalb des Unternehmens oder bezogen auf das Gesamtprojekt wenige Einflussmöglichkeiten, aber sie sind dem Projekt gegenüber positiv eingestellt. Beispiele für Palladium Stakeholder sind: Abteilungsleiter, Sachbearbeiter, Techniker oder Teammitglieder des Projektes.
# Silber-Stakeholder: Silber-Stakeholder haben einen hohen Einfluss und sind dem Projekt gegenüber eher skeptisch eingestellt. Entweder sehen sie den Sinn des Projektes nicht, oder sie fühlen sich durch das Projekt in ihrer Position/Aufgaben bedroht. Ein Silber-Stakeholder kann bspw. der Finanzvorstand sein, der für das Projekt die Finanzmittel freigibt, aber keinen Nutzen durch das Projekt erkennt.
# Kupfer-Stakeholder: Kupfer-Stakeholder haben weder einen hohen Einfluss auf das Projekt, noch sind sie dem Projekt gegenüber aufgeschlossen. Schwierig wird es, wenn solche Stakeholder im Projektteam vertreten sind, da sie das ganze Team beeinflussen können.
A – Aktivieren – Mach Dir klar, wie Du mit den Stakeholdern zusammen arbeiten willst.
Nun wissen wir wer unsere Stakeholder sind, haben sie informiert und wissen wie sie ticken. Jetzt musst Du Dir noch klar machen, wie du mit ihnen zusammenarbeiten wirst.
Der Umgang mit dem Gold-Stakeholder:
# Regelmäßige Information über den Projektverlauf – kurz und knapp
# Unabhängig von regelmäßigen Statusberichten informieren
# Größere Projektentscheidung / -abweichungen / -probleme frühzeitig ankündigen
# Bei den Entscheidungen, die er beeinflussen kann, um seinen Rat bzw. seiner Unterstützung bitten – in diese Entscheidungsprozesse einbeziehen
Der Umgang mit dem Palladium-Stakeholder:
# Mit Fingerspitzengefühl völlige Transparenz schaffen
# Neue Infos/Erkenntnisse frühzeitig kommunizieren
# Zu Workshops, Präsentationen und Entscheidungsrunden einladen
# Aktive Mitarbeit anbieten
Der Umgang mit dem Silber-Stakeholder
# Nur Informationen die ihn direkt betreffen weiterleiten
# Im Rahmen von Statusberichten informieren, sofern er offiziell im Verteiler ist
# Nicht umstimmen wollen
Der Umgang mit dem Kupfer-Stakeholder
# Meinung akzeptieren und keine offene Gegenmeinung aufbauen
# Informieren, nur sofern es ihn betrifft und es Deine Aufgabe ist
# Zur aktiven Mitarbeiten nur dann einladen, wenn es unumgänglich ist
Fazit
Wie sieht die Praxis aus? Natürlich ist das oben beschriebene Konzept ein Weg wie man mit dem Thema Stakeholder-Management umgehen kann. Aber mir ist auch aus der Praxis bekannt, dass sich nur wenige SAP-Berater so ausführlich mit dem Thema beschäftigen. Trotzdem solltest Du mindestens folgende Punkte mitnehmen:
# Stell Dir diese Fragen möglichst frühzeitig und beantworte sie zügig:
## Wer sind die Stakeholder, was denken sie über das Projekt, welche Position haben sie.
# Denk dran Stakeholder-Management ist kein Missionsauftrag, d.h. respektiere die Meinung der Stakeholder und versuche sie nicht zu beeinflussen; dafür wirst Du nicht bezahlt.
** Es wäre super, wenn Du ein kleines Feedback hinterlassen würdest, Isa.
Vielen Dank! Ich feierer deinen Blog seit Wochen, weiter so!
Hi Ainura,
danke für dein Feedback …
cu
Isa